Literaturförderung „Fördern, Feiern, Freuen – ein Festakt mit Überraschungseffekt“: Rosemarie Tietze erhält Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern 2024 für literarische Übersetzerinnen und Übersetzer

Kunstminister Blume (r.) ehrte die Preisträgerin Rosemarie Tietze im Literaturhaus (© StMWK/ Axel König)
Kunstminister Blume (r.) ehrte die Preisträgerin Rosemarie Tietze im Literaturhaus (© StMWK/ Axel König)

Das mit erstmals 10.000 Euro dotierte Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern geht in diesem Jahr an die Übersetzerin Rosemarie Tietze für ihre Erstübertragung des russischsprachigen Romans Getäuscht von Juri Felsen. In einem Festakt im Literaturhaus München ehrte Kunstminister Blume Mitte Juli die Ausgezeichnete und überraschte sie dabei mit der Erhöhung der Dotierung des Arbeitsstipendiums.

Kunstminister Markus Blume (© Steffen Böttcher)
Kunstminister Markus Blume (© Steffen Böttcher)

„Fördern, Feiern, Freuen – ein Festakt mit Überraschungseffekt: Wir erhöhen die Dotierung des Arbeitsstipendiums des Freistaats Bayern für literarische Übersetzerinnen und Übersetzer auf 10.000 Euro. Ich freue mich, Rosemarie Tietze das 16. Arbeitsstipendium zu verleihen und sie mit der erhöhten Dotierung zu überraschen!", betonte Kunstminister Markus Blume bei der Verleihung der Auszeichnung im Literaturhaus München Mitte Juli. „Rosemarie Tietze ist die Grande Dame der deutschsprachigen Übersetzung. Ihre Arbeit steht für höchste Qualität, sprachliche Präzision und poetische Stilsicherheit. Gerade ihr aktuelles Übersetzungsvorhaben erfordert besonderes Fingerspitzengefühl: Die Übertragung von Juri Felsens komplexer Sprache ins Deutsche ist eine gigantische Aufgabe. Für diese braucht man neben Fachkompetenz auch ausreichend Ruhe, Zeit und wirtschaftliche Sicherheit. Hierbei wollen wir unterstützen und legen nochmals eine Schippe drauf: Mit dem Arbeitsstipendium in Höhe von 10.000 Euro würdigen wir die bedeutsame kulturelle Leistung der Übersetzungskunst. Herzlichen Dank, dass Sie ferne Lebenswelten für uns öffnen“, so Blume.

Abgerundet wurde die Ehrung durch ein Werkstattgespräch zwischen Rosemarie Tietze und der Übersetzerin Friederike Meltendorf über Herausforderungen für Übersetzerinnen und Übersetzer von Texten aus dem russischsprachigen Kulturkreis – insbesondere vor dem aktuellen Hintergrund des russischen Angriffskrieges – sowie eine anschließende Lesung Rosemarie Tietzes.

Die Jury würdigte Rosemarie Tietzes großes übersetzerisches Können: „Mit ‚Getäuscht‘ von Juri Felsen hat Rosemarie Tietze wieder einmal einen Schatz für die deutschsprachige Literaturwelt gehoben. Nach Gaito Gasdanow, der im selben Pariser Exilverlag veröffentlicht wurde, besticht Felsen als Zeitgenosse von Proust mit einer psychologisch ungemein feinnervigen Charakterisierung seiner Figuren, die von der Übersetzerin auf sensible und kreative Weise ins Deutsche gebracht wurde, genau wie die fließenden, sprudelnden, überbordenden Satzkaskaden. Rosemarie Tietze stellt erneut ihren virtuosen Umgang mit dem reichen Instrumentarium der deutschen Sprache unter Beweis. Ihre übersetzerische Souveränität zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sie die Besonderheiten des russischen Originals erfasst, ohne ihnen im Deutschen auf den Leim zu gehen und dass sie dadurch einen eigenständigen deutschen Text erschafft.“ Die Übersetzung soll 2025 im Verlag Kiepenheuer & Witsch erscheinen. Juri Felsen war einer der führenden Schriftsteller seiner Generation. Beeinflusst von Marcel Proust, James Joyce und Virginia Woolf ist Juri Felsen ein Autor von Weltrang. Er wurde von den Nationalsozialisten ermordet, sein Werk war lange vergessen, bis es in den letzten Jahren wiederentdeckt und nun zum ersten Mal auf Englisch und Deutsch veröffentlicht wird.

Das Arbeitsstipendium des Freistaates Bayern für literarische Übersetzerinnen und Übersetzer

Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst vergibt seit 2009 jährlich ein Arbeitsstipendium für ein Übersetzungsvorhaben, um die bedeutende kulturelle Leistung der literarischen Übersetzerinnen und Übersetzer zu würdigen, die die Literatur anderer Sprachen für den größten, nicht polyglotten Teil der Leserschaft erst zugänglich macht. Das Arbeitsstipendium soll es einer literarischen Übersetzerin bzw. einem literarischen Übersetzer ermöglichen, sich ohne wirtschaftlich-materiellen Zwang einem Übersetzungsvorhaben zu widmen. In diesem Jahr wurde die Dotierung von 7.000 Euro auf 10.000 Euro angehoben. Über die Vergabe des Stipendiums entscheidet der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst auf Vorschlag einer Jury, die die eingereichten Eigenbewerbungen prüft. Der Jury gehören derzeit an: Patricia Klobusiczky, Andrea O’Brien und Thomas Weiler.

Nähere Informationen zu Rosemarie Tietze

Rosemarie Tietze

Rosemarie Tietze, in Oberkirch/Schwarzwald geboren, studierte Theaterwissenschaft, Slawistik und Germanistik in Köln, Wien und München. Zu Forschungszwecken hielt sie sich ein Jahr lang in Moskau auf. Seit 1972 ist sie freiberuflich tätig, zunächst als Dolmetscherin in Wirtschaft und Wissenschaft, seit Ende der Siebziger vor allem als Literaturübersetzerin. Mehr als zwanzig Jahre lehrte sie zudem am Münchner Sprachen- und Dolmetscherinstitut; bis heute hält sie Fortbildungsseminare für Literaturübersetzer ab. Rosemarie Tietze war Initiatorin und von 1997 bis 2009 Vorsitzende des Deutschen Übersetzerfonds. Ihr übersetzerisches Werk reicht von Wassili Axjonow, Fjodor Dostojewski, Vladimir Nabokov, Boris Pasternak, Lew Tolstoi und Alexander Puschkin bis zu Andrej Bitow, dem zentralen Autor ihrer Werkbiografie. Für ihre Übersetzungen wurde Rosemarie Tietze bereits vielfach ausgezeichnet, u. a. 1995 mit dem Voß-Preis, 2003 mit dem Münchner Übersetzerpreis und 2010 mit dem Celan-Preis. 2013 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz, 2021 die Auszeichnung „Pro Meritis Scientiae et Litterarum“ des Freistaats Bayern. Rosemarie Tietze lebt in München und Oberkirch.

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